Sitzende Figur

Sitzende Figur

Skulptur von Astrid Mosch

Blockhaft, versteinert, in sich ruhend – alles dies sind Begrifflichkeiten, mit denen sich Astrid Moschs „Sitzende Figur“ charakterisieren lässt. Tatsächlich wird beim näheren Betrachten der Skulptur eine Gestaltung offensichtlich, die zahlreiche Gegensätze in sich vereint.

Die nahezu lebensgroße Sitzende Moschs ruht auf ihren untergeschlagenen Beinen. In ihrer Materialstärke und ihrer Länge wirken diese Beine überdimensional groß. Indem sie nahezu unmittelbar auf dem Boden aufliegen, bilden sie einen Sockel, der die übrigen Skulpturenelemente trägt. Ein gedrungener Oberkörper wird sichtbar, zwei Arme, von denen der rechte herabhängt, während der linke auf dem Oberschenkel liegt. Ein einfach herausgebildetes Kopfprofil, bei dem Augen, Nase, Mund und Ohren klar zu erkennen sind, schließt die Skulptur nach oben hin ab.

Der streng nach hinten gebundene Zopf wie auch die Brustandeutungen zeichnen Moschs Werk als Darstellung einer Frauenfigur aus. Doch fehlen Details, die die Wiedergegebene näher charakterisieren. In der Tat wirken die Skulpturformen nur grob bearbeitet. Auf Überflüssiges, dass von der allgemeinen menschlichen Kontur ablenken könnte, wurde vollständig verzichtet. Mit diesem Verzicht haftet der Sitzenden Astrid Moschs etwas Unpersönliches, sogar Befremdliches an. Es wirkt, als sei hier ein Relikt erhalten, dass der Stadt Troisdorf aus längst vergangenen Zeiten und Kulturen übergeben wurde.

Tatsächlich knüpft die Künstlerin mit vielen Formelementen an den sogenannten „Primitivismus“ an. Diese künstlerische Tendenz des beginnenden 20. Jahrhunderts wurzelte in der Entdeckung der Stammeskunst und hatte in allem, was gestalterisch wiedergegeben wurde, eine Verblockung und idolhafte Erstarrung zur Folge. Vor allem die menschliche Darstellung blieb auf eine Urform konzentriert, die – wie bei den Bildwerken von André Derain (1880-1954; Die Kauernde, 1907 ) oder Constantin Brancusi (1876-1957; Der Kuss, 1912) - an aztekische Götterfiguren oder ägyptische Würfelhocker zu erinnern vermochte. Diese Aspekte finden sich auch bei der Sitzenden Moschs wieder, die sich im Vergleich zu ihren künstlerischen Vorbildern grundsätzlich in nur einer Eigenschaft unterscheidet: Die Oberfläche der Skulptur ist nicht glatt poliert, sondern sorgfältig mit unzähligen feinen Linien durchzogen. Wie ein „hautnah“ gespanntes Netz, das sich in den Stein einschneidet, haben diese Linien sich ausnahmslos über den gesamten Körper gelegt. Das Material Stein wird durch diese gestalterische Handhabung in seiner ganzen Haptik erfahrbar, die Skulptur in ihrem menschlichen Erscheinungsbild umso befremdlicher.

„Zu Stein erstarrt“ ist eine Möglichkeit, die sitzende Figur Moschs zu interpretieren. Damit nähme die Künstlerin kritisch Bezug zur gesellschaftlichen Situation des Einzelnen, der keiner Gefühlsregung mehr fähig ist. Eine genau entgegengesetzte Deutung ist jedoch ebenfalls möglich. So könnte Mosch hier den Versuch unternommen haben, eine „Menschwerdung“ zum Ausdruck zu bringen. Der Betrachter wäre somit Zeuge eines Schöpfungsaktes, bei dem sich die Figur mit Ruhe und Kraft allmählich aus dem Stein herausschält. Mit dieser letztgenannten Interpretation würde Astrid Mosch wiederum auf die primitivistische Kunstrichtung des 20. Jahrhunderts verweisen. Diese sah in den „Naturvölkern“ die kindliche Entwicklungsstufe der menschlichen Zivilisation.